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Westerwelle auf Kamikaze-Trip

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So viele Jahre konnte Guido Westerwelle Angela Merkel studieren – es verblüfft doch sehr, wie wenig er sie tatsächlich zu kennen scheint. Denn sein Wutausbruch im Kabinett diese Woche ist so ziemlich das Dümmste, was er tun kann, wenn er seine Verärgerung über Merkel öffentlich zeigen will.

Noch dazu, wenn er den fehlenden Umweltminister Röttgen nicht nur mit sachlichen Argumenten, sondern auch persönlich angegriffen hat, wie berichtet wird. Das ist nicht nur unprofessionell, das ist fast schon Kamikaze.

Natürlich wollte Westerwelle damit vor allenvor seiner eigenen FDP-Basis und der liberalen Fraktion Stärke zeigen. Das mag funktioniert haben. Aber nur sehr kurze Zeit. Der Preis, den er dafür zahlen wird, ist sehr hoch. Er wird in der Zukunft fällig werden.

Welche Eskalationsstufe will Westerwelle bei der nächsten Konfrontation mit dem Koalitionspartner nutzen? Mit seinem Rücktritt drohen? Neuerlich im Kabinett herumpoltern? Spätestens die dritte derartige Kraftmeierei wird nur noch hämisches Lachen in Berlin auslösen – und den FDP-Chef als Witzfigur ohne jegliches politisches Gewicht preisgeben.

Nun zeigt sich, dass Westerwelle trotz all dieser vielen Jahren in der Opposition eines nicht gemacht hat, was Merkel perfekt beherrscht – mehr als nur ein paar Monate vorausplanen. Der FDP-Chef war so sehr auf den Wahlsieg fixiert, dass er außer dem Mantra von den Steuersenkungen nichts in der Schublade hatte. Vor allem aber keinen Plan, wie die schwierige Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai für Schwarz-Gelb gewonnen werden kann.

Hat Westerwelle wirklich nicht durchgespielt, dass es dort durchaus zu Schwarz-Grün kommen kann und das daraus erwachsenden Drohpotential für die FDP durchdacht? Eigentlich fast undenkbar für jemanden, der so lang in der Spitzenpolitik ist – und der zudem aus diesem Bundesland kommt.

Nun aber führt er die FDP geradewegs in die Sackgasse: Panisch wegen der katastrophalen Umfragewerte, macht die Partei einen Fehler nach dem anderen. Der Entwurf eines Steuerkonzeptes noch vor der Steuerschätzung und der Wahl in NRW beispielsweise. Das ist ein offenes Messer, in das die Liberalen geradewegs rennen. Diese Auseinandersetzung können sie nicht gewinnen. Wenn einmal Zahlen auf dem Tisch liegen – und das müssen sie dann ja – wird die FDP die Frage nicht mehr umgehen können, wo an anderer Stelle gekürzt werden soll. Die Wähler, die mit ersterem vielleicht noch zu gewinnen sind, werden mit letzterem wieder verloren. Meine Prognose ist, dass letzterer Effekt den ersteren weit überstrahlt und in Summe zu weiteren Wählerverlusten führen wird.

Sehr geschadet hat sich Westerwelle auch im Umgang mit Merkel. Die Kanzlerin vergisst nichts, und Wutausbrüche auf offener Bühne schon gar nicht. Als Realpolitiker muss Westerwelle wissen, dass die CDU-Chefin sich schon qua Amt alle Koalitionsoptionen offen halten muss – also natürlich auch Schwarz-Grün. Mit seinem Verhalten hat er diese Option in dieser Woche noch um einiges attraktiver als bisher gemacht.


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